Die manchmal nur mit wenigen Strichen geradezu »hingeworfenen« Bilder, meistens aber mit äußerster Sorgfalt und Liebe zum Detail ausgearbeiteten Szenen entfalten eine Wirkung, von der sich der Betrachter gern berauschen läßt. Spuk- und Traumgestalten, frei erfunden oder Zitat, ziehen die Blicke auf sich, regen zum Nachdenken an oder erheitern, wenn unverhofft Klischees in ihrer Gegenteil verkehrt oder »beim Wort genommen« werden. Holger ]ohn gehört zu jene seltene Gruppe von Künstlern auf der Grenze zwischen bildender Kunst und Literatur. Man fühlt sich an Alfred Kubin erinnert – auch er jemand, der in einer Seelenverwandtschaft mit Kafka stand. Wo ]ohns Zeichnungen nicht selbst literarisches Zitat sind, stellt er leicht mit einem hingeworfenen Satz, manchmal auch nur mit einem Wort, eine Verbindung her. Ob vordergründig komisch oder tiefgründig böse – man ist stets versucht, nach einem verborgenen Hintersinn zu suchen. Aber selbst dort, wo ]ohn bitterböse, fast ätzende Zeitkritik übt, zeigen sich tragende Spuren von hintergründigem Humor, von seinem besonderen Sinn für das Absurde.
Es verwundert kaum, daß in einer solchen Welt auch der prallen Erotik eine ihr zukommender Platz eingeräumt wird. Und dies wie selbstverständlich mit der Bereitschaft, zu provozieren – nicht zuletzt darüber, aus welchen Bereichen unseres Lebens wir sie ausgeblendet haben, sei es aus kuIturellen .religiösen oder sonstigen Gründen. Aber auch der sich provoziert fühlenden Betrachter wird sich kaum der Faszination dieser zahllosen Facetten funkelnden Phantasiewelten entziehen können. Mit ihrer perfektionierten Technik und sehr persönlich geprägten künstlerische Meisterschaft gehören Holger ]ohns Zeichnungen zu dem farbigsten, was je schwarz auf weiß zu Papier gebracht wurde.
Auszug aus dem Katalogtext zur Ausstellung von Hans-Gerd Koch (Publizist, Literaturwissenschaftler und Kafka-Herausgeber)
Eröffnung am Freitag, 26 März 2004 um 20 Uhr.
Der Künstler war anwesend.