Manfred Paul fotografierte zwischen 1984 und 1988 in Dresdner Künstlerateliers. Diese Bilder sind geprägt von den Realitäten eines politischen Systems im Endstadium. Der Fotograf konzentrierte sich auf die Gesichter und Lebensräume der Bohème in einer längst in Agonie verfallenen Utopie. Wache Gesichter, selbstbewusst, widerständig; Charaktere, die für die Repressionen eines kleinbürgerlichen Funktionärsstaates namens DDR nicht mehr wirklich erreichbar waren: Via Lewandowski, Angela Hampel, Wolfram Adalbert Scheffler, Christine Schlegel und andere. Fünfzehn dieser Porträts zeigt die Ausstellung; mehr als doppelt so viele der zur Ausstellung erscheinende Katalog »Dresden 1984 — 1988«.
Die bleierne Zeit der späten DDR teilt sich auch in einem anderen Sujet Pauls mit. Aus seinen Stillleben scheint, wie schon aus den großen Werken dieses Genres in der Renaissance und im Barock, die Frage nach dem Sinn der Existenz. In einen Aschenbecher umfunktionierte keramische Bruchstücke sind ihm ebenso Bild der Vergänglichkeit wie die leere Hälfte einer Pampelmuse auf der Fensterbank, der Feldblumenstrauß vor der verwitternden Wand. Eier, Früchte und Fischgräten sind ebenso Memento mori wie der von einer kaputten Steckdose herabhängende Stecker. Durchdacht und sorgsam in Szene gesetzt bleiben Pauls Kompositionen dennoch keine formalästhetischen Spielereien, sondern werden zum Spiegel halb bewusster, halb erahnter Zusammenhänge. Die etwa 30 gezeigten Stillleben bilden den Schwerpunkt der Aussstellung. Hierzu liegt das Buch »Nature Morte« (spector books) vor.
Außerdem werden 15 Stadtlandschaften gezeigt, die Manfred Paul in den 1980er Jahren im Prenzlauer Berg fotografiert hat.
»Die schwarz-weiße Fotografie in ihrer unerbittlichen Plastizität ist ein grausames Dokument der sukzessiven Auslöschung. Sie steht am ehesten in der Tradition des barocken Memento mori, das inmitten der verschwenderischen Fülle des Lebens die Vergänglichkeit anmahnt. Das der Fotografie inhärente Erinnern an das Gewesene ist eine ‚Belichtung’, eine mit offenen Augen begonnene Studie über die eigene endliche Fragilität.«
— PROF. DR. EUGEN BLUME —
Zur Eröffnung am Freitag, dem 16. Juni um 20 Uhr sprach Eugen Blume, Leiter Hamburger Bahnhof, Museum für Gegenwart Berlin a.D.
Der Künstler war anwesend.
Biographisches
Manfred Paul, geboren 1942 in Schraplau bei Halle (Saale), arbeitete nach dem Abitur zunächst als Fotolaborant, Bühnenarbeiter, Theaterfotograf und freiberuflicher Fotograf. Anschließend studierte er Kamera an der Hochschule für Film und Fernsehen in Potsdam-Babelsberg sowie Fotografie an der Hochschule für Grafik und Buchkunst in Leipzig. Von 1974 bis 1994 war Paul Dozent für Fotografie an der FWG Berlin; von 1995 bis 2007 Professor für Fotografie und audiovisuelle Medien an der FHTW Berlin. Er lebt in Berlin.