Bleibt man heute beim Durchblättern der Frankfurter Allgemeinen Zeitung an einem Bild wirklich hängen, steht zumeist »Archiv Barbara Klemm« darunter. Fünfunddreißig Jahre lang war Barbara Klemm im Auftrag der FAZ unterwegs und hat in dieser Zeit fotografische Ikonen geschaffen: Das Treffen von Breschnew und Willy Brandt zum Beispiel, das 1973 das Verhältnis zwischen West und Ost in neue Bahnen lenkte, oder auch die Dresdner Rede von Helmut Kohl im Dezember 1989, die das Ende der sogenannten friedlichen Revolution markierte, begleitet von aggressiv vorgetragenen Forderungen nach vermeintlich heilsbringendem und schnellstmöglichem Anschluss des Ostens an den Westen mit seinen trügerischen Konsumversprechen. Auch im Leonhardi-Museum sind einige dieser Bilder zu sehen, aber hier – wie im gesamten Werk Klemms – setzen sie nur Akzente. Das Essenzielle dieses Werkes entstand auf den Reisen der Fotografin abseits der nachrichtenwirksamen Ereignisse vor und unmittelbar nach dem Untergang des Ostblocks, als die herbeigesehnte neue Zeit die bis dahin gültige Normalität fraß. Barbara Klemm hat sich diesem Vorgang sehr behutsam genähert, die von ihr eingefangenen Momente verweigern jede Eindeutigkeit. Eine große Offenheit und Neugier auf das Fremde, das scheinbar vom eigenen Leben so weit entfernt ist und doch nur eine andere Facette menschlichen Lebens darstellt, sind prägend für Klemms Werk. Und darin begegnet sie diesem Fremden mit etwas, das heute so wenig selbstverständlich ist: mit Zuneigung.